Mittwoch, 10. Januar 2018

Trendthema: Kulturelle Gerechtigkeit

Kulturelle Gerechtigkeit verkörpert die Werte, Richtlinien und Praktiken, die sicherstellen, dass alle Menschen - einschließlich, aber nicht beschränkt auf diejenigen, die aufgrund von Rasse / ethnischer Zugehörigkeit, Alter, Behinderung, sexueller Orientierung, Geschlecht, Geschlechtsidentität, sozioökonomischem Status, Geographie, Staatsbürgerschaftsstatus oder Religion - in der Entwicklung der Kulturpolitik vertreten sind; die Unterstützung von Künstlern; die Pflege zugänglicher, blühender Orte kulturellen Ausdrucks; und die gerechte Verteilung von Programm-, Finanz- und Informationsressourcen.“                                                  Americans for the Arts

Das Thema Diversity (Vielfalt), das jahrelang von den Kulturinstitutionen in den USA stiefmütterlich behandelt wurde, wird durch eine neue Debatte über kulturelle Gerechtigkeit erweitert. Vielfalt war ein Thema, dessen Behandlung insbesondere von Stiftungen eingefordert wurde. Dabei ging es vor allem darum, verschiedene Minderheiten als Besucher nachzuweisen. Kulturelle Gerechtigkeit hinterfragt, ob der Zugang und die Teilnahme in Kulturinstitutionen sozial gerecht sind.  Es ist insbesondere ein Thema, das junge amerikanischen Kulturmanager beschäftigt. Die Diskussion um kulturelle Gerechtigkeit scheint inzwischen aus den Kulturinstitutionen selbst heraus zu kommen, alles vor einem Hintergrund, in dem gesellschaftliche Debatten wie „white privilege“ und „#metoo“ gegen Diskriminierung geführt werden. Die weiße Mittel- und Oberschicht, die traditionell die Stammkunden und –Spender der etablierten Kulturinstitutionen ausmacht, wird kleiner. Um den zunehmend jüngeren Amerikanern und der zunehmenden ethnischen (=kulturellen) Vielfalt zu begegnen, reicht es nicht, bestehende Programme oberflächlich umzugestalten. Es bedarf neuer, authentischer Inhalte, die für diese Zielgruppen geschaffen werden. Es erfordert eine Anerkennung von Kunst jenseits der etablierten Kriterien der sog. Hochkultur.

Die Kulturlobbyisten von Americans for the Arts listen 33 Fragen auf, wie Kulturinstitutionen einen gerechteren Zugang zu ihrem Angebot gestalten können. Dabei geht es um die Bereiche Sprache, Unternehmenskultur, Lernen und Design: Welches Leseniveau müssen Besucher beherrschen, um Texte, Internetseite und Werbung verstehen zu können? Was, wenn Sprache keine Barriere zwischen Künstler und Publikum wäre? Ist soziale Gerechtigkeit eine Priorität, auch wenn sich damit keine kurzfristigen Gewinne (Kartenverkauf) erzielen lassen? Gibt es Fortbildungen zum Thema Ungerechtigkeit? Sind die Toiletten so beschildert, dass Besucher den Bereich aufsuchen können, der am besten mit ihrer Geschlechtsidentität übereinstimmt? Für Kulturschaffende und Kulturmanager die ein Arbeiten im Elfenbeinturm gewohnt sind, sind dies ungewohnte Aufgabenstellungen. Dabei geht es in den Anworten um mehr als soziale Gerechtigkeit: Es geht darum, in einer Welt zunehmender kultureller Vielfalt Relevanz zu bewahren.